Nicht da und doch da

Videokonferenzen sind zuweilen eine verwirrende Angelegenheit. Man sitzt in seinem Zimmer, alleine oder zu zweit, schaut in einen Bildschirm und sieht und spricht darüber mit Menschen, die eigentlich nicht da sind. Es entsteht ein Gefühl von Nähe, die aber nicht wirklich greifbar ist. Kaum ist der Laptop zugeklappt, sind die Schüler, Mitspieler oder Hauskreisgenossen; ja auch die lieben Familienmitglieder oder Freunde weg. Stille.

Der sensible Mensch fragt sich dann vielleicht: Was war das gerade? Eine Begegnung? Irgendwie schon, wir haben ja geredet, gelernt, diskutiert, gelacht. Aber irgendwie auch nicht, denn so ein Videogespräch ist für mich keine wirkliche Erfahrung, an die ich mich noch lange erinnern kann. Zu austauschbar sind die Begegnungsorte (Sofa oder Küchentisch), zu eindimensional die Kommunikation, zu schnell ist das Gespräch da und schon wieder weg.

Pfingsten war ich bei meinen Eltern. Nach einer schönen Radtour, langen Gesprächen bei Grillgeruch im Garten, Kartenspielen auf der Terrasse und einem Weinchen auf dem Sofa ist auch diese Begegnung zu Ende, wenn man sich schlafen legt. Aber wenn jeder in sein Zimmer geht und die Zimmertüren zufallen, ist das nicht das gleiche, als wenn der Laptop zufällt. Wenn man dann so im Bett liegt, weiß man, dass nur ein paar Zimmer weiter die Lieben schlafen. Womöglich hört man sogar das Schnarchen des Papas. Schnarchen ist eigentlich eine schöne Analogie für zwischenmenschliches Zusammenleben: es nervt manchmal, aber es ist auch ein Zeichen für Lebendigkeit, für etwas lauteres Atmen.

Jetzt, wo wir Christen Pfingsten und damit die Ankunft des Heiligen Geistes feiern, musste ich wieder an die paradoxe Videokommunikation der letzten Monate denken.

Den Geist kann ich nicht so riechen wie den Grillgeruch im Garten, ich kann ihn nicht hören wie das Schnarchen meines Vaters und schließlich kann ich ihn auch nicht sehen wie ein Mitspieler beim Kartenspielen. Und doch ist er da. Der Heilige Geist ist, so Jesus, unser „Paraklet“ – unser Begleiter, Tröster, Ermutiger. Er ist bei jedem Christen, auch wenn er nicht greifbar ist.

Für säkulare Menschen muss sich die Vorstellung und das Reden von einem innewohnenden „Geist“ wahrscheinlich wie lauter Hokuspokus anhören. Aber auch für mich als überzeugten Christen ist das Wesen und das Wirken des Heiligen Geistes ein Mysterium. Wir Menschen sind visuelle Wesen, wir sehnen uns nach echter Begegnung mit allen Sinnen; nicht nach Substituten. Und doch ging Jesus einmal soweit, seinen Jüngern zu sagen, dass es besser sei, wenn er weggeht, nicht mehr physisch anwesend bei Ihnen ist und sie stattdessen den Heiligen Geist in sich haben (Joh 16,7). Meine menschliche Natur kann das schwer verstehen. Dennoch will ich dieser Aussage glauben, den Geist in mir wirken lassen bis zu dem Tag, an dem wir uns wieder von Angesicht zu Angesicht sehen. 🙂

Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. – 1. Korinther 13,12

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