Die Wetterapp: Warum man nur einen Ort eingespeichert haben sollte

Die Wetterapp – die harmloseste aller Apps?

Die Wetterapp fristet meist ein recht unbedarftes Dasein auf unseren Smartphones – sie ist kein Teil der heiß geführten Debatten um die Gefahren von social media, sie polarisiert nicht, sammelt keine persönlichen Daten und in der Regel lockt sie auch nicht mit suchterregenden roten 1en. Sie zeigt nur das aktuelle und das prognostizierte zukünftige Wetter an. Sie wirkt funktional wie die Taschenrechner- oder Wecker-App – einfach nur ein nützliches Tool, ein bei Bedarf ausklappbares Werkzeug im digitalen Taschenmesser. Gewissermaßen ist die Wetterapp also so harmlos wie das Wetter selbst – das Königsthema aller Smalltalk-Klischees.

Und doch wage ich es, angeregt durch meine jüngsten Urlaubserfahrungen, eine allzu häufige Nutzung der App mit dem schönen Sonnen- und Wolkenicon etwas zu hinterfragen. Auch wenn ich dabei Gefahr laufe, aus jeder Kleinigkeit ein Problem zu machen (eine Bloggerkrankheit🙈), scheint mir ein heiteres Gedankenspiel lohnend. Gar nicht mal wegen der Wetteranzeige an sich, sondern als symbolische Stellvertretung für unseren grundsätzlichen Umgang mit Informationen. Zwei Phänomene, die verschiedene zeitliche Ebenen betreffen, greife ich dabei in zwei verschiedenen Posts heraus. Teil 1 dieser Mini-Blogserie betrifft die Gegenwart:

 Kalt- und Kanalwetter: Urlaubslektionen aus England

Vor kurzem war ich mit Luise in England in einem wunderbaren Urlaub. Doch auch wenn London, Bath, grüne Landidylle und viele freundliche Briten uns in ihren Bann zogen, war ich auch gelegentlich am Smartphone. Dabei wurde ich nicht nur durch Familiennachrichten und Statusbilder, sondern auch durch die Wetterapp mit dem deutschen Hochsommer konfrontiert. Verglichen damit war das britische Sommerwetter eher durchwachsen: Die Sonne schien zwar immer mal wieder und meistens blieb es trocken, die Temperaturen waren mit manchmal 15 statt 30 Grad teils aber nur halb so hoch wie in der Heimat. Bis dato hatte ich eigentlich kein größeres Problem mit dem Urlaubswetter, wir hatten sehr viel Schönes erlebt und ohnehin hatte ich keine allzu hohen Erwartungen an das „Inselwetter“. Doch als mir klar wurde, dass wir ein Temperaturdowngrade im Urlaub machten, fragte ich mich kurz, warum wir eigentlich Deutschland verlassen hatten. Danach vergewisserte ich mich schnell wieder, dass wir ja ganz bewusst eher einen Begegnungs- als einen Badeurlaub geplant hatten und dass man weder das Heimat- noch das Urlaubswetter in der Hand hat.

Drastische Reduzierung

Ganz intuitiv kam mir dann die Idee, einfach alle Orte aus der Wetterapp zu löschen und nur den (je nach GPS-Position) „aktuellen Standort“ als Wetterort zu haben. Ich glaube es waren über 10 Orte, die ich entfernte: Münster, die Heimatstadt, alte Urlaubsorte. Ein wenig sentimental ob all der Erinnerungen war ich schon, aber dennoch fand ich den Gedanken schön, tatsächlich nur Informationen für den Ort zu erhalten, an dem ich mich gerade befinde. Es war wie eine technische Unterstreichung des populären „Im-Moment-leben“-Mantras. Weder das Wetter der Vergangenheit noch die Temperatur der zukünftigen Orte unserer Reise sind relevant, nur das Jetzt sollte zählen.

Gleichzeitig war es Teil des Versuchs, die stets schlummernde Vergleichsversuchung etwas einzudämmen. Warum soll ich mich dafür interessieren, wie das Wetter an anderen Orten ist, wenn ich gerade hier bin? Warum muss ich mich mit der Möglichkeit konfrontieren, dass ich in Münster in den Kanal hätte springen können, während ich in England einen Tee zur Aufwärmung trinke? Für mich, der ich gerne mit vielen Optionen jongliere und verleitet bin, in jeder Begegnung einen Referenzwert zu meiner eigenen Lebenssituation zu sehen, ist es gar nicht so einfach, einfach nur da zu sein, wo ich bin.

Meine kleine Wetterapp-Aufräumaktion war und ist kein Allheilmittel für die Vergleichsfalle, sie war eher wie ein symbolischer Akt für eine Lebenseinstellung, an die ich mich immer wieder erinnern muss und möchte: Ich bin, so glaube ich als Christ, von Gott an einen Ort gestellt und solange ich da bin, muss ich nicht zwangsläufig jeden Sonnenstrahl und jede Regenwolke an anderen Standorten kennen.

Im nächsten Teil dieses Zweiteilers bewegen wir uns von der Gegenwart in die Zukunft und beschäftigen uns mit den Zukunftsprognosen der Wetterapps.

Sonne gab es aber auch 🌞🙂

Dieser Beitrag ist Teil einer Minireihe über unseren Umgang mit der Wetterapp und Informationen an sich. Hier geht es zu Teil 2: Was interessiert mich das Wetter von morgen? Vom Leben mit Prognosen.

5 Kommentare zu „Die Wetterapp: Warum man nur einen Ort eingespeichert haben sollte

    1. Danke dir 🙂 Würde mich freuen, bei einem Gespräch bei Baldi mehr zu erfahren, was du mit „passend“ meinst! 🙂 Teil 2 sollte vor Ende der Ferien kommen! 

  1. Lieber Seb,
    Ich danke dir für die sehr analysierende Sicht. Ich selbst versuche das Wetter bewusst aus jedem Smalltalk, egal ob Meeting oder neue Begegnungen auf Geburtstagsfeiern, gezielt zu ersetzen.
    Wir sind gerade in Hamburg. Gestern habe ich in einer Bar auf einer Karte den Spruch gelesen: Der Vergleich ist dem Glück sein Tod. Das mag vielleicht beim Wetter trivial sein, aber Vergleichen ist wie Unkraut, das so bald etwas Wasser bekommt wächst und wuchert.
    Danke für deinen Blogpost, der so oft eine Mischung aus Witz, Kritik, Philosophie, Glaube und einer lyrischen Eleganz darstellt.

    Liebste Grüße nach Münster
    Jana

    1. Danke dir liebe Jana für diese Perspektive. Cool, wie stringent du versuchst das Wetter rauszuhalten, ganz so streng sehe ich es aber nicht 🙂
      Der Spruch gefällt mir, ist sehr einprägsam und wahr.
      Liebe Grüße zurück nach Bremen!

Ich freue mich sehr über jegliche Reaktion - egal ob kritisch, ermutigend oder ergänzend :)