Damit Lehrer/innen auch wirklich vormittags Recht und nachmittags frei haben, muss die Unterrichtsvorbereitung radikal reduziert werden. Stundenlang über Ziele, Aufgaben, Materialien brüten, während draußen die Sonne scheint? Wir haben doch alle besseres zu tun!
Also, was ist das Geheimrezept? Wie steigere ich meine Vorbereitungseffizienz?
Ich muss euch was beichten. Der Titel war reines Clickbait. Ich habe keine Geheimrezepte, weder für Herd- noch für Schreibtischarbeit.
Aber es könnte doch so einfach sein, wenn man den Versprechen der Verlage glaubt. Klettermann & Co. versuchen mir ständig, das Lehrerleben Schoener zu machen. Da lachen mich dann junge vor einer Tafel stehenden Lehrerinnen auf Katalogtiteln an und versprechen mir Dinge wie „Entspannter unterrichten“, „5 Unterrichtsreihen – direkt startklar“, „10 Sternstunden Geschichte“ oder „Mehr Zeit für Sie“. Das Lesen solcher Verheißungen ist anfangs ähnlich verzückend wie der erhabene Moment, wenn mir ein Kollege seine Unterrichtsmaterialien zukommen lässt und ich sie gerade auf mein Computer ziehe: „Oh yes, jetzt wird alles viel schneller gehen! Ich hab ja schon das Material! Genial!“
Aber all diese Hoffnungen auf einen freien Nachmittag verpuffen schneller, als dass der Gong geklingelt hat. Irgendwas passt meistens nicht:
- Die Unterrichtsreihe würde viel Zeit kosten. Die nächste Klausur steht aber schon in ein paar Wochen an.
- Die Dokumentenstruktur oder das Arbeitsblattdesign des Kollegen leuchtet nicht ein.
- Die vorgeschlagene Methode funktioniert in der Klasse nicht.
- Das Thema, was der Verlag aufbereitet hat, kenne ich noch gar nicht so gut. Erstmal einlesen.
- Die Materialien sind veraltet. Kann man das Vereinigte Königreich ohne den Brexit unterrichten? Den American Dream ohne Trump? Medieneinfluss ohne Rezo oder ohne Fake News? Wenn die Antwort „nein“ lautet, muss ich selbst ran.
Was auch immer es ist – einfach ausdrucken und unterrichten funktioniert bei mir nicht. Zumindest wenn ich mich vorne nicht blamieren und den Eindruck erwecken möchte, Ahnung zu haben und nicht nur irgendwas Fremdes nachzuplappern oder vorzuturnen.
Eine Sache, die ich allmählich lerne: Gerade am Anfang des Lehrerlebens gibt es keine Abkürzungen. Klar können fremde Materialien eine hilfreiche Inspiration sein. Aber das Einarbeiten, Anpassen, Durchdenken und Abwägen – das ist meine Arbeit. Fremde Materialien können mir das Denken nicht wirklich abnehmen.
Und nichts finde ich anstrengender als Denken. Gib mir gerne einen Haufen Korrekturen. Denn bei Korrekturen weiß ich sofort, was zu tun ist. Ich kann eine gewisse Routine entwickeln und nach und nach alle Klausuren abarbeiten. Aber Unterrichtsvorbereitung ist eine gestalterische Tätigkeit, die erstmal mit einem weißen Word-Dokument anfängt und Gehirnschmalz erfordert. Die Abwägung verschiedenster Faktoren – Klasse, Ziele, Zeit, Materialien, Methode – kostet gerade mir als Berufsanfänger oft Zeit und Nerven.
Aber ich möchte diese Challenge zu denken immer wieder aufnehmen. Ich fühle mich in meiner Rolle als Lehrer, aber auch darüber hinaus durch die Art, wie ich von Gott geschaffen bin – meine Persönlichkeitsstruktur, meine Gaben und Interessen, meiner Kopflastigkeit dazu – verzeiht mir den Pathos – berufen, zu denken – auch wenn ich da nicht immer Lust zu habe. Ich merke immer wieder, wie wertvoll und hilfreich es ist, Dinge – ob Unterrichtsstunden, Predigten, kreative Beiträge oder knifflige theologische oder moralische Fragestellungen – zu durchdringen und zu Ende zu durchdenken und nicht bei der erste Hürde ab- und die Musik (oder jede andere Ablenkungsquelle) aufzudrehen.
Gut durchdachte Stunden sind eine sinnvolle Investition in die Zukunft und geben mir auf lange Sicht mehr Handlungssicherheit als Lehrer. Ich merke jetzt schon, dass ich mich sicherer, kreativer und flexibler auf den Unterricht und die Schüler einlassen kann, wenn ich ein Thema zum zweiten oder dritten Mal unterrichte und es schon in der Vergangenheit vernünftig und mit Bedacht vorbereitet habe. In einem solchen Fall kann die Unterrichtsvorbereitung tatsächlich mal nur 5min dauern – also reiner Clickbait war der Artikel dann doch nicht. 😉
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Dieser Artikel ist Dir in Struktur und Inhalt wunderbar gelungen. Danke für Deine Ge(danken).
Danke dir lieber Martin. Und Danke dir, dass du mich in Gesprächen zum tieferen & kritischeren Denken animierst 🙂
Sehr gut geschrieben! Interessant!! Ich war einkaufen heute morgen und Papa beim Zahnarzt u Birgit wollte nicht ans Telefon gehen! Sie sind gegen Mittag gefahren! Morgen kommen Peter u Heide und abends Anke Brouwer
Von meinem iPhone gesendet
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