Sehnsuchtsmomente

Ein neues virales Video macht die Runde – und das völlig zu Recht. Paul McCartney und James Corden fahren durch Liverpool, singen alte Beatles-Lieder und fahren an Orten vorbei, die einige Hits inspirierten. Sir Paul McCartney erzählt, wie ein Traum das Lied „Let it Be“ inspiriert hat; zeigt auf die Kirche, in der er im Chor mitgesungen hat; er besucht seinen ehemaligen Friseur an der „Penny Lane“ und auch sein altes Wohnhaus, bevor es dann zum ganz großen Finale in einem Pub, in dem die Beatles früher spielten, kommt… aber schaut selbst:

Paul McCartney Carpool Karaoke

🇬🇧 Nostalgie in Liverpool 

Man muss nicht alle Beatles-Songs kennen, um bei diesem Video emotional zu werden. Es ist bezaubernd und bewegend, wie der bodenständig-wirkende McCartney an alte Zeiten zurückdenkt und Orte besucht, mit denen er so viele Erinnerungen verbindet. Das Video enthält viele heitere und überraschende Momente, aber letztendlich dominiert (für mich) das Gefühl der Nostalgie: Das Schwelgen in Erinnerungen; eine gewisse Sehnsucht nach alten Zeiten, die letztlich nicht mehr reproduzierbar sind – denn die Beatles gibt es nicht mehr, auch der Hype um sie ist abgeklungen. Und doch schaffen es Corden und McCartney, für eine kurze Zeit die Beatles-Magie wiederzubeleben, was die Beteiligten sichtlich genießen: Fast ist es so wie früher…

🚲 Nostalgie in Münster

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Einige der erwähnten „reunions“ 🙂

In letzter Zeit kamen auch in mir immer wieder nostalgische Gefühle hoch. Da war zum Beispiel der Besuch einer alten Freundin und Bib-Genossin, die einst in Münster, jetzt aber in Berlin lebt. Oder der alte Hauskreis-Kumpane, der sich jetzt in Essen rumtreibt, aber für einen Geburtstag nach Münster kam. Es war schön, sich wiederzusehen, aber beim Abschied wusste man, dass man sich wohl so schnell nicht mehr wiedersieht… Ähnlich verhält es sich mit  der ehemaligen Mitbewohnerin, die jetzt Potsdam aufwirbelt. Letztere traf ich letzten Samstag auf einer Hochzeit. Dort führten einige ältere Weggenossen des Paares einen kleinen Sketch auf, in dem wir das Hochzeitspaar auf schöne und skurrile alte Zeiten in unserer Hochschulgruppe SMD zurückblicken ließen. Wir Darsteller sind selbst gar nicht mehr in der SMD aktiv und sind jetzt in der nächsten Lebensphase angekommen – Heirat, Kinder, Beruf und Hausbau dominierten die Gespräche beim Sektempfang. So soll das wohl sein – life moves on.

Idyllische Lagerfeuerzeiten am Aasee spontane Eisess-Aktionen spätabends, Gebetsfrühstückstreffen in Herrgottsfrühe – was früher oft der Fall war, ist jetzt, nun ja, schwierig geworden. Abends braucht man nun „Paarzeit“, morgens muss man früh aufstehen, so ist das mit Treffen spätabends auch schwierig. Das Ref frisst viel Zeit und Energie, da bleibt für spontane Action wenig Zeit. Diejenigen, die weggezogen sind, sind auch nicht mehr schnell und einfach erreichbar. Stattdessen gibt man sich nun in größeren Intervallen Lebens-Updates über die gerade erreichten Meilensteine. Kurzum: Es ist nicht mehr, wie es war.

Wenn ich durch Münster radle, muss ich – ein bisschen wie McCartney im Auto 😉 – unwillkürlich an einige Orte denken, die ich mit Augenblicken aus meinem Studentenleben verbinde. Ich wohne zwar immer noch in der gleichen Stadt, aber allmählich und immer merkbarer verändert sich die Lebensphase und das Sozialleben, was damit einhergeht.

⏪⏩Erinnern und Erwarten…

Das muss aber nicht zwangsläufig Traurigkeit hervorrufen. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich bei einer Erinnerung an bestimmte Personen oder Erlebnisse lächle. Es ist ein Lächeln, das sich aus Freude an Freunden und aus der Dankbarkeit am Leben zusammensetzt. Zwar mischt sich in dieses Lächeln manchmal auch der Schmerz der Unwiederholbarkeit und der Vergänglichkeit des Lebens, aber letztlich bleibt uns nichts anderes übrig, als voranzugehen und auch die nächste Lebensphase mit Freude, Gottvertrauen und Gespanntheit zu erwarten. Und ab und zu mit Liedern, Fotos und Anekdoten die alten Zeiten wiederaufleben zu lassen…

Jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 
[…]
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; […]
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 
[…]
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. – 
Prediger 3,1-11

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