⚽️… bei der WM
Seitdem Deutschland sang- und klanglos in der Vorrunde ausgeschieden ist, hat die WM in Russland eine neue Bedeutung für mich angenommen. Während ich seit 2006 erfolgsverwöhnt Deutschland stets mindestens bis ins Halbfinale anfeuern konnte, schaue ich nun einige verbleibende WM-Matches „einfach so“. Zuvor speiste sich meine WM-Begeisterung vor allem daraus, auf einen Sieg der deutschen Mannschaft zu hoffen und bei jedem Spiel entsprechend mitzufiebern, um nachher ein bisschen Tummel und Party auf Münsteraner Straßen zu erleben.
Jetzt ist es mir ziemlich egal, ob nun Frankreich, Brasilien, Kroatien oder Belgien gewinnt. Bis auf ein paar Ausnahmen (Go, England!) möchte ich einfach spannende und schöne Spiele genießen– mit vielen Toren, schönen Tricks, Nervenkitzel und anschließender Fachsimpelei mit Freunden. Dieses ergebnislose Betrachten und Genießen hat tatsächlich etwas für sich. Statt vernarrt zu bangen und zu hadern, wenn es bei der Lieblingsmannschaft nicht läuft, kann ich mich einfach zurücklehnen und gelassen abwarten, was kommt.
🏫… in der Schule
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr sehe ich Parallelen zu anderen Bereichen meines Lebens. Viel zu oft arbeite ich nur auf ein Ergebnis, auf ein bestimmtes Ziel hin. Auch wenn Ziele sicherlich zur Orientierung und zur Fokussierung beitragen können, kann eine übersteigerte Zielausrichtung uns daran hindern, das Hier & Jetzt zu genießen und Freude an der Sache, der Aufgabe und dem Mitmenschen an sich zu entwickeln. So merke ich beruflich, dass es mir hilft, sich auf den Schulstoff wirklich einzulassen und ihn mit Kreativität und Freude zu vermitteln, statt ständig nur auf gute Gutachten oder Unterrichtsbesuch-Noten zu schielen. Ich glaube auch die Schüler/innen merken, ob wir Lehrer/innen wirkliches Interesse an den Inhalten haben.
Auf der Gegenseite spüre ich als Lehrer recht schnell, welche Schüler/innen nur für eine gute Note lernen und welche sich tatsächlich reflektiert, interessiert und diskussionsbereit mit dem Stoff auseinandersetzen. Englisch-Klausuren, in denen Schüler/innen sich mit dem Textauszug intensiv auseinandersetzen, sich eigene Gedanken dazu machen und (bei entsprechender Aufgabenstellung) Kreativität walten lassen, lesen sich deutlich angenehmer als Klausuren, in denen nur punkteorientiert eine Liste abgearbeitet wird.
👥 … in Begegnungen
Auch im zwischenmenschlichen Bereich kann es helfen, sich ganz bewusst „ergebnisunabhängig“ auf seinen Mitmenschen einzulassen. Manchmal ertappe ich mich dabei, eine Agenda in Gespräche mitzubringen: Ich möchte etwas Bestimmtes erzählen, etwas Spezielles erfahren oder je nach Situation einen gewissen Grad an Leichtigkeit oder an Tiefe verspüren. Ich habe schon im Kopf, wie eine Begegnung mit einem Freund oder einer Freundin oder ein gemeinsamer Urlaub ablaufen könnte. Doch habe ich schon oft wohltuend erlebt, wie Treffen überraschend anders ablaufen können. Unvorhergesehene Gesprächsthemen kommen auf den Tisch, jemand bringt plötzlich Begleitung zur Mensa mit oder spontane Aktionen entwickeln sich. Meist ist es so, dass sich es lohnt, sich auf den veränderten „Flow“ einzulassen und nicht zu sehr daran zu klammern, wie es denn „eigentlich“ sein sollte.
✍️ … beim Bloggen
Ein letztes Beispiel ist dieser Blog hier. Oft bin ich neugierig, wie meine Artikel ankommen, d.h. wie oft sie geklickt werden. Mittlerweile ist es mein Bestreben, derlei Statistiken zu ignorieren und einfach aus Freunde am Schreiben und Teilen Artikel zu schreiben – egal ob das nun viele oder nur wenige Freunde interessiert. Das hilft mir auch, sich nicht zu abhängig von Meinungen Anderer zu machen. Ganz gelingen wird mir das sicherlich nicht, aber versuchen kann man es ja 🙂
Die Beispiele mögen bei jedem variieren, letztlich aber läuft „ergebnisunabhängiges Genießen“ darauf hinaus, in Aufgaben, in Gesprächen und im Moment aufzugehen. Diese besonderen Augenblicke, in denen ich mich „verliere“, sind bei mir seltener als gedacht, aber fast immer positiv besetzt. Mein Glaube, dass ein kreativer Gott überraschende und besondere Situationen schaffen kann, hilft mir dabei, mich mehr und mehr auf solche einzulassen.
„Gleichwie du nicht weißt, was der Weg des Windes ist, noch wie die Gebeine im Bauch der Schwangeren bereitet werden, so kennst du auch das Werk Gottes nicht, der alles wirkt.
Am Morgen säe deinen Samen, und am Abend lass deine Hand nicht ruhen; denn du weißt nicht, ob dieses oder jenes gedeihen wird, oder ob beides zugleich gut wird.“ – Prediger 11,5-6
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Lieber Sebastian,
erneut ein großartiger Beitrag von dir. Du schreibst leichtgängig, bunt und ziehst deine Leser*innen dadurch in deine Erlebnisse. Das wirkt.
Vielen Dank
Martin
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