„Gesundheit ist nicht alles… aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Diese simple Lebensweisheit war im pandemiegeprägten Jahr 2021 wohl so relevant wie selten. Während einige Menschen eher den ersten Teil des Satzes betonen und sich für die Freuden und Freiheiten eines möglichst „normalen“ Alltags starkmachen, stellen Andere eher den Gesundheitsschutz, ohne den alles andere zwecklos ist, in den Vordergrund.
Wenn Gesundheitsfragen persönlich werden
Abgesehen von den gesellschaftlichen Corona-Debatten, die auch mich dieses Jahr herausforderten und ermüdeten, hat dieses Gesundheits-Motto in diesem Jahr auch eine persönliche Komponente für mich. 2021 begann mit einer Schreckensnachricht: Anfang Januar erzählte mir ein alter Freund am Telefon von seiner Krebsdiagnose. Es folgten monatelange Chemotherapie, viele Momente der Kraftlosigkeit und ein ständiges Bangen und Hoffen. Alles andere – Job, Geld, Entertainment – rückte für ihn in den Hintergrund. Dass er und seine Familie durchhält, hatte oberste Priorität. Gott sei Dank hat er’s geschafft und viel göttliches und menschliches Durchtragen dabei erlebt.
Auch wenn ich meinen Freund kaum sehen konnte, habe ich oft an ihn gedacht. Während ich über Klausurberge oder andere Alltagsärgerlichkeiten stöhnte, war mir der Gedanke an ihn immer wieder eine Art Warnung – all das, was gerade allzu wichtig erscheint, verliert an Bedeutung, wenn die Gesundheit gefährdet ist und es letztlich um die Existenz geht.
Auch ich selbst wurde ungebeten mit Fragen und Sorgen um mein körperliches Wohl konfrontiert, als ich Anfang Dezember mit Vollspeed gegen eine plötzlich geöffnete Autotür fuhr und erst langsam in einem Krankenwagen völlig orientierungslos wieder zu mir kam. Hier war ich an einem Freitagmittag auf dem Nachhauseweg mit allerlei Aufgaben, Besuchen und Plänen fürs zweite Adventswochenende, dann finde ich mich Minuten später umringt von Pflegern und Ärzten, die alle hektisch irgendwas sagen und tun, in einem Klinikum wieder (kleiner Bericht). Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes mit einem blauen Auge davongekommen und danke Gott seitdem täglich dafür, dass trotz der Unfallschwere nichts Schlimmeres passiert ist und ich mein Leben schon rasch relativ unbeschwert fortführen konnte.
Das Leben danach zwischen Dankbarkeit und Alltag
Trotz aller anfänglichen Dramatik und besorgter familiärer Anteilnahme ging das Leben bei mir weiter – Unterricht, Prüfungen, Kommunikationspflege, Weihnachtsgeschenke und dergleichen prägten schon kurze Zeit später wieder meinen Alltag.
Doch in dieser Alltäglichkeit, die sich nach überstandenen Gesundheitsepisoden wieder einstellt, habe ich eine neue Dankbarkeit fürs Leben bekommen. Ich empfand eine stille Freude, in einem Lehrerzimmer herumzulaufen oder mündliche Prüfungen abzunehmen, wenn auch mit einem Neugierde-weckenden blauen Auge. Das Bewusstsein, dass ich unter Umständen noch länger hätte im Krankenhaus liegen können oder mit schlimmen Einschränkungen und Schmerzen aus diesem hätte entlassen werden können, hat mir eine Art Ehrfurcht vor dem Leben und dessen Zerbrechlichkeit geweckt.
Die ganz großen Lebensveränderungen habe ich trotzdem bisher nicht vorgenommen. Man hört ja oft, wie Gesundheitsgefährdungen Menschen dazu bewegen, ihr Leben komplett zu überdenken und neu zu priorisieren. Ich glaube, in sehr ernsten Situationen wird dies sicherlich häufiger der Fall sein, aber in „kleineren Fällen“ wie einer überstandenen Grippe oder eines glimpflich ausgegangenen „Dooring“-Falls weicht die Dankbarkeit, dass jetzt alles wieder „normal“ ist, doch schnell den Ritualen und Anforderungen ebendieser Normalität.
Doch auch wenn ich mich der Alltag wieder im Griff hat, gibt es zwei Erinnerungshilfen, die Dankbarkeit fürs Leben wecken.
Spiegelblicke
Zum einen ist da der Blick in den Spiegel, der mir noch leichte Narben zeigt. Manchmal, wenn ich abends oder morgens nicht zu müde bin und einen kleinen Moment länger in den Spiegel schaue, erinnere ich mich daran, dass das Gesicht vor wenigen Wochen noch ganz anders aussah. Auch wenn ein längerer Spiegelblick schnell als Selbstverliebtheit interpretiert wird, spüre ich, dass eine bewusste und ruhige spiegelbildliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich auch ein besonderer, vielleicht sogar heiliger Augenblick sein kann, in dem man gewahr wird, wessen Körper man da eigentlich durchs Leben trägt, wie das Gesicht, welches man selbst so selten sieht, wohl auf andere wirken mag und wie dankbar ich meinem Schöpfer dafür sein kann, wie ich geschaffen bin und wie viel ich bisher schon mit meinem Körper und meinem Geist erlebt habe.
Weihnachtsgemeinschaft
Zum anderen hat die Weihnachts(vor)freude dieses Jahr für mich eine besondere Komponente. Zusammen an einem Tisch zu sitzen mit den Menschen, die mich schon am längsten kennen, ist umso wertvoller, wenn ich mir vergegenwärtige, dass dies überhaupt nicht selbstverständlich ist und ich selbst oder auch jemand anders aus der Runde durch gesundheitliche oder auch andere Probleme nicht dabei sein könnte. Ich weiß nicht, wie viele unbeschwerte Weihnachten mir und uns noch geschenkt sind, aber ich nehme jedes voller Dankbarkeit an.
Tage zählen und nicht verzweifeln
„Seine Tage zu zählen“ (Ps. 90,12) kann belastend sein und ich glaube auch nicht, dass wir dies unbedingt in jeder Sekunde tun müssen. Sonst würden wir vor ständigem Vergänglichkeitsbewusstsein, Welt- und Lebensschmerz und Schwere wohl kaum noch das Leben gestalten und genießen können. Aber vielleicht kann der gelegentliche Blick in den Spiegel und das Gespür für die Besonderheit von Weihnachten und Weihnachtsgemeinschaft eine kleine Stütze dabei sein, dankbar, demütig und zielgerichtet der Zukunft und dem neuen Jahr entgegenzuschauen.
Dass, wie Weihnachten uns erinnert, Jesus selbst als fragiles Baby in einer Welt voller Gefahren, Krankheiten und anderen Sorgenanregern in einer Futterkrippe zur Welt kam und kurze Zeit später seiner tödlichen und paradoxerweise gleichzeitig lebensschenkenden Rettungsmission in seinem relativ kurzen Leben mutig entgegenging, macht mir Mut, beide Seiten der eingangs angeführten Gesundheitsweisheit zu leben: Ich möchte einerseits mein Leben nicht in Ängstlichkeit ausschließlich auf Gesundheit ausrichten, aber auch vor Augen behalten, dass ohne Gesundheit vieles an Bedeutung verliert und alles potentiell zerbrechlich ist – dabei aber wohl wissend, dass das „irdische Gefäß“ letztlich nicht ultimativ ist.
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