Diese Mundspülung steht bei uns im Schrank. Als ich letztens mit Verstand auf die Packung schaute, musste ich etwas schmunzeln. Da verspricht ein Mundspülungshersteller, so etwas intimes wie einen Kuss zu verbessern und das gleich 10-fach.
Ich habe mich gefragt, ob man so eine Behauptung auf einer Packung nicht wissenschaftlich belegen müsste. Woher die Zahl? Warum 10-fach, warum nicht 5-fach oder 15-fach? Was unterscheidet eigentlich einen 10-fach-besseren Kuss von einem normalen oder einem nur doppelt so gutem Kuss? Mussten sich Paare in einer Kontrollgruppe ohne Premium-Mundspülung küssen und dann auf einer Skala bewerten, wie frisch ihr Kuss war, um die Kussqualität mit jenen Küssen zu vergleichen, die mit „atemberaubender“ Super-Spülung angefeuert wurden?
Colgate betreibt hier eine Art Marketing, welches mir schon bei Tees kurios vorkommt. Da wird von einem Haufen Kräuter versprochen, „innere Ruhe“ oder einen „klaren Kopf“ zu verschaffen oder einen „einfach schön“ oder „schlank und fit“ zu machen. Ich vermute, dass selbst die Marketingabteilungen Teenamen wie „Hol dir Kraft“, „New York Chai“, „Magie des Orients“ oder „heiße Liebe“ mit einem Augenzwinkern verwenden und auch ein Kunde sollte solch ein wohliges wording nicht allzu ernst nehmen.
Grundsätzlich jedoch scheinen mir kecke Mundspülungsversprechen und fantastische Teesorten Auswüchse eines Materialismus’ zu sein, der eigentlich zutiefst komplexe, persönliche und menschliche Bedürfnisse und Interaktionen scheinbar einfach im Supermarktregal oder im Onlineshop verfügbar macht. Du brauchst „Harmonie für Körper & Seele“? Du brauchst dich nicht deiner komplexen Beziehung zu deinem Leib, den Regungen und Untiefen deiner Seele nachgehen, du musst darüber keine Gespräche führen und nicht ins Gebet oder auf spirituelle Reise gehen. Nein, kauf einfach diesen Tee.
Wie gesagt, wirklich glauben tun dies wohl weder Verkäufer noch Käufer, aber gerade bei wertvolleren und teuren Produkten wie Auto, Smartphone, Möbeln und auch Urlaubsangeboten greifen diese „Kauf-dich-glücklich“-Mechanismen durchaus. Materielles wird emotionalisiert, Bedürfnisse werden aufgegriffen oder erst geschaffen um schließlich dann scheinbar einfache Lösungen anzubieten.
Nicht allzu selten bin ich diesen materiellen Versuchungen verfallen, gerade im technischen Bereich bin ich leicht verführbar. Doch manchmal kann ich doch widerstehen. Teils bewusst, teils unterbewusst erinnere ich mich vor dem Klick auf den Bestellbutton an all die vergangenen Käufe und wie wenig sie mir letztlich gaben. Sicher, einige meiner Käufe waren durchaus nützlich und haben mein Leben vereinfacht und verschönert, doch so manches Mal ließ meine anfängliche Begeisterung schnell nach und selbst wenn die Produkte ihren Dienst tun, der Tee gut schmeckt und das iPhone funktioniert, so sind es nicht die Produkte, die mein Leben reich gemacht haben und an die ich mich gerne erinnere. Tote Materie, egal ob sie aus Teeblättern, Computerchips, Holz oder Blech besteht, konnte und kann niemals Frische, Kraft oder Leben geben und wird es auch bei dem nächsten Produkt, was mich so verschmitzt und diebisch anlächelt, nicht tun.