Wie ein Spanienurlaub mein Ostererleben prägt Tod und Triumph inmitten kultureller Besonderheiten

Gefühle und Gedanken gegenüber Feiertagen, großen Events oder privaten Feiern sind bei mir immer auch vom aktuellen Kontext, in dem ich mich befinde, abhängig. Dieses Ostern sind Luise und ich in Spanien im Urlaub. Meine Gedanken gegenüber dem größten christlichen Fest wurden hier vor allem von zwei Eindrücken geprägt:

1.) Die Grausamkeit des Todes

Als wir unser AirBnB in einem Hochhausappartment in Valencia bezogen und die Dachterrasse betraten, stach sofort ein grauenhafter Anblick ins Auge: ein völlig abgebranntes Hochhaus. Der Hochhausbrand war vor einem Monat auch in den deutschen Nachrichten. 10 Menschen starben, dazu 60 Haustiere, wie unsere Vermieterin ergänzte. Sie sah das Feuer aus nächster Nähe und war auch schockiert über die Wucht des Brands. 450 Menschen verloren ihr Zuhause. 

Als ich das Bild der schwarzen Ruine auf mich wirken ließ, wurde mir die Grausamkeit des Todes neu bewusst. Der Tod ist eigentlich überall: Leute sterben an Krankheiten, Altersschwäche, Unfällen, Krieg und vielem mehr. Doch wirklich sichtbar ist er nicht immer, zumal wir ihn auch noch oft ausblenden. Aber diese Ruine erzählt von Tod und Zerstörung auf eine Weise, die man nicht ignorieren kann. Mitten in der modernen, lebensfrohen und hübschen Stadt Valencia und umgeben von schicken Hochhäusern ist dieser große schwarze Fleck, der da eigentlich nicht hingehört. Ein defektes Küchengerät soll den Brand ausgelöst haben und dann ging alles ganz schnell. Der Tod ist uns nicht immer präsent und kann dann doch ganz schnell kommen. Der Kommentator William MacDonald hat diese schlummernde Kraft des Todes treffend beschrieben: 

Wir leben in einer Welt voller Seufzen, Tränen und Leiden. »Die ganze Schöpfung seufzt« und leidet Schmerzen wie bei einer Geburt. Die Musik der Natur wird in Moll geschrieben. Die Erde wird von Verheerungen heimgesucht. Der Todeshauch hat sich auf alles Lebendige gelegt. – William MacDonald, Kommentar zum Neuen Testament (2018, 7. Auflage), S. 647

2.) Das Paradoxe am leidenden Gott

Eine kulturelle Eigenart der Spanier, die mir bisher kaum bewusst war, ist es, dass man in der Osterwoche (semana santa) zahlreiche Prozessionen überall im Land durchführt. Als wir in Alicante an einer Free Walking Tour teilnahmen, erzählte uns die Frau von der zentralen Bedeutung dieser religiösen Umzüge für die Spanier und schickte uns gleich einen Link über die Prozessionen in Alicante. Im Schnitt 10 Prozessionen wurden allein in Alicante durchgeführt – pro Tag wohlgemerkt. Wir haben uns daraufhin mit einigen anderen Teilnehmern der Tour verabredet und eine besonders spektakuläre Prozession am Folgetag besucht. Man musste über 2 Std. vorher einen Platz suchen, um überhaupt was sehen zu können.

beim Warten und Platzsichern

Alle Straßen waren voll mit Menschen, es wurde Wein getrunken, geplaudert, spanische Flaggen aufgehängt und dann ging es los. Etliche Prozessionsgruppen zogen durch die kleine Gassen – Büßer mit Spitzhüten, die an den Ku-Klux-Klan erinnern; in schwarz gekleidete Frauen, Römer mit Trommeln und Trompeten und dann – die Highlights – die Pasos, das sind Holzgestelle, auf denen Szenen der Kreuzigung abgebildet sind.

Römische Soldaten ziehen an uns vorbei

Ich habe dieses Schauspiel wie viele andere fleißig gefilmt und einen kurzen Clip zusammengestellt, der einen Eindruck der Abläufe und der Atmosphäre vermittelt:

 Die ganze Szenerie war für mich paradox. Da wurde ein hochreligiöses und eigentlich trauriges Fest – es ging um die Kreuzigung Jesu – gefeiert, aber gleichzeitig hatte die ganze Szenerie eher Volksfestcharakter. Der Tod, der da in Form des Kreuzes unter großen Mühen vorbeigetragen wurde, war ein Spektakel. 

Und doch gab es in der ganzen Heiterkeit und Geselligkeit Momente, wo ich spürte, dass einige Menschen betroffen waren. Als der gekreuzigte Jesus vorbeigetragen wurde, streckten viele Menschen ihre Hand nach dem Kreuz aus. Eine Frau fing an, laut ein Leid zu singen. Ich bin als Protestant christliche Visualisierungen in Form von Statuen oder Bildern nicht gewohnt und doch war auch ich von dem Anblick des leidenden Messias getroffen. Als Christ glaube ich an jemanden, der Sohn Gottes war und gleichzeitig gelitten und den Tod erfahren hat. Das ist schon etwas verrückt, dass wir Christen an jemanden glauben, der sich trotz seiner Göttlichkeit so verletzlich gemacht hat. Die Prozession hatte etwas Triumphales, was mit dem Blick auf die Auferstehung an Ostern ja auch verständlich ist. Aber vor dem Triumph kam der Tod. 

Diese beiden Eindrücke – die Grausamkeit des Todes in Form eines verbrannten Hauses und das neue Bewusstsein für einen leidenden Gott durch die eindrücklichen Prozessionen – prägen in diesem Jahr mein Ostererleben. Die Kraft der Auferstehungshoffnung wird für mich umso deutlicher, wenn man sich die Macht des Todes vor Augen führt. Und bis dahin ist es gut zu wissen, dass wir an jemanden glauben dürfen, der nicht nur Triumph verkündet und bringt, sondern auch den Tod geschmeckt hat und uns hier auf Erden versteht. 

Ich freue mich sehr über jegliche Reaktion - egal ob kritisch, ermutigend oder ergänzend :)